Lernbereich

Sachunterricht


Stolpersteine-Projekt

 

Im Sachunterricht der 4ic hatten wir das Thema Berlin.


Ein Mädchen aus der 4ic hat eine Nachbarin, die sich für die Einsetzung mehrerer Stolpersteine engagierte. Sie forscht über die Lebensläufe betroffener Menschen.
Vor dem Haus des Mädchens liegen schon 7 von 9 Stolpersteine. Stolpersteine sind Steine, die in die Erde gesetzt werden. Sie erinnern an die Menschen, die in dem Haus gelebt haben und von den Nazis deportiert, schikaniert, ermordet und gequält wurden.
Wir haben einem Mann aus Frankreich einen Brief geschrieben. Er heißt Didier Eisack und ist der Urenkel einer Dame, die früher in dem Haus des Mädchens gewohnt hat.
Seine Familie ist früher nach Frankreich geflohen, um dort ein schöneres Leben zu führen. Und das klappte. In unserem Brief stellten wir ihm auch ein paar Fragen:

 

 1. Wie ist es, alles zu verlassen, um zu fliehen?


Ich habe diese Situation nicht selbst erlebt. Aber ich weiß, dass es eine Tragödie ist, wenn man ein Kind von weniger als 6 Jahren ist wie mein Vater 1933. Das hinterlässt sehr tiefe Spuren für den Rest des Lebens. Das kann krank machen und in ständige Angst versetzen. Man verlässt seine Familie, manchmal die Kultur und vielleicht auch die Sprache. Das ist sehr hart, schwierig und beängstigend.

 
2. Wie ist Ihre Familie nach Frankreich gekommen?


Meine Großeltern lebten in München, wo sie sich kennenlernten und 1926 geheiratet haben. Sie hatten 3 Kinder, darunter der Älteste, mein Vater. Sie kannten den Aufstieg  des Nazismus und Antisemitismus, den sie schon vorher kennengelernt hatten, weil mein Großvater aus Polen (Preussen) und meine Großmutter aus der Ukraine (Russland) kamen. Sie waren schon in München Flüchtlinge. Mit der Machtergreifung Hitlers 1933 und den Ausschreitungen gegen die Juden beschlossen sie im Mai nach Frankreich (Lyon) zu fliehen. Sie hatten im Zug mit den wenigen Gepäckstücken, die sie mitnehmen konnten, ihre 3 Kinder dabei. Sie hatten alles verlassen, ihr Leben, ihre Familien, die Cousinen und Cousins in ihrem Alter… die sie niemals wiedergesehen haben… niemals…

 
3. Was ist seit Ihrer Ankunft in Frankreich passiert?


Ich bin sicher, dass das sehr sehr hart war. Das Fremdsein, die Sprache, die sie nicht verstanden, die Familie, die nicht mehr da war…
Joachim (Opa von Didier) wurde Händler für Pelze und seine Frau Anita stellte Mäntel und Accessoires aus Pelz bei sich zu Hause her, mitten in ihrer kleinen Wohnung mit den 3 kleinen Kindern. Als der Krieg erklärt worden war, wurde Joachim in ein Lager interniert (eingesperrt), weil er, obwohl er ein jüdischer Flüchtling, der vor dem Nazismus geflohen war… ein Deutscher war! Von 1939 bis Ende 1940 verpflichtete er sich in der Fremdenlegion. Als er wiederkam, beteiligte er sich an einem Netzwerk jüdischer Hilfe und jüdischen Widerstands. Im August 1942 wurde er über eine Durchsuchung, um die Juden zu deportieren, informiert (26. August 1942 in Lyon). Mit der Hilfe eines katholischen Netzwerkes, das den Juden half, konnten sie in Lyon versteckt werden und dann nach und nach in ein kleines Dorf Belmont de la Loire gebracht werden. Die Familie war gewachsen. Sie hatten jetzt 6 Kinder, darunter ein wenige Monate altes Baby.
Anfang 1943 beteiligten sich Joachim und mein Vater (der 15 ½ Jahre alt war) an einem Widerstandsnetz. Im Sommer 1944, nach der Landung in der Provence, begannen die Widerstandskämpfer Freiheitskämpfe, was auch Joachim und Papa taten, um das Elsass zurück zu erobern und nach Deutschland zukommen.
Papa ist als Soldat in Lindau angekommen. Joachim wurde Inspekteur in Säckingen, um die Nazis zu jagen. Dort hat er Otto Abetz, den Botschafter Hitlers in Paris (1940 bis 1944), enttarnt und verhaftet. Das war am 25. Oktober 1945!

 
4. Wie kam es, dass Ihre Familie auf diesem kleinen Bauernhof den Nazis entkommen konnte?


Man muss wissen, dass, wenn das Dorf klein war, der Hof, in dem sie lebten, 3 km entfernt und der Bauernhof vollkommen isoliert war.
Die Region hatte überhaupt keine Industrie, keine dichte Bevölkerung, die man kontrollieren musste. Es ist eine Region im Mittelgebirge. Es gab keine einzige Kaserne. Einzig die Patrouillen kamen von Zeit zu Zeit vorbei. Manchmal musste man sehr vorsichtig sein, um nicht entdeckt zu werden, denn es gab auch Franzosen, die mit den Nazis zusammen arbeiteten. Außerdem hatten sie viel Glück.
Im Mai 1944 haben zwei Soldateneinheiten der Wehrmacht das Widerstandsnetz in seinem Quartier in den Bergen angegriffen, in dem sie das Dorf Belmont de la Loire besetzten.
An diesem Tag waren sie nicht im Quartier der Widerstandskämpfer. Sie waren nicht im Dorf, weil sie auf dem isolierten Bauernhof waren. Es wurden an diesem Tag jedoch 19 Personen hingerichtet.

Didier Eisack wird bald nach Berlin kommen, um für seine Urgroßtante einen Stolperstein einzuweihen. Er lud uns (die 4ic) ein, bei dieser Aktion mitzumachen. Wir nehmen diese Einladung sehr gerne an und sind gespannt dabei zu sein.

Luzie, Sarah & Amalia